Chronik einer Repression: Freiheit à la Südtirol

pestizidtirol

Vorigen Mittwoch, am 15. April, erwachte ich aus unruhigen Träumen – und was flatterte da vor meinem traumtrunkenen Auge: eine bunte kleine Grafik, die mich gleich zum Lachen brachte. 30 Minuten später hatte ich den heiligen Gral der Südtirol Werbung ironisch weiter entwickelt. Statt „SÜDtiROL“ las man nun: „PEStiZIDtiROL“.

Wenige Augenblicke danach war diese amüsante kleine Provokation auch schon auf Facebook zu sehen. Da mein Bruder jahrelang ein Satire Magazin herausgegeben hatte, begann ich sicherheitshalber mit den Worten: „Heute einmal ein satirischer Beitrag:“ Danach machte ich jedoch unmissverständlich klar, welchen Gedanken meine kleine Grafik transportieren sollte: „So könnte die Weiterentwicklung von Südtirols Dachmarke aussehen, falls wir die Weiterentwicklung der Landwirtschaft nicht beherzt vorantreiben.“ Und ich fügte hinzu: „Daher wundert es mich oft, dass die Touristiker dem Treiben der Monokultur-Kapitalisten mehr oder weniger tatenlos zusehen. Sie denken vielleicht: Worüber nicht gesprochen wird, das existiert auch nicht.“

Die nächsten Stunden verbrachte ich auf einem Polizeiposten der Südtiroler Carabinieri, denn ich hatte Mitte Jänner des Jahres 2015 eine Aktion von Malser Aktivistinnen gefilmt: Für jede in Mals ignorierte Wählerstimme, war damals eine Zahl auf den Asphalt vor dem Gemeinderat gemalt worden. 3.277 Zahlen. Nun wurde in dieser Sache ermittelt: „Wer war es gewesen, der oder die durch diesen perfiden Anschlag die Grundfesten der Republik erschüttert hatte?“ Ob ich unter Folter standhaft geblieben wäre, vermag ich nicht zu sagen. Zum Glück kam es nicht so weit und ich berief mich auf meine agitatorische Schweigepflicht.

Kopfschüttelnd verließ ich die Polizeistation, und dachte darüber nach, wie wenig Rückgrat jemand haben musste, der sich von diesem Unsinn beeindrucken ließ.

Im gleichen Augenblick erhielt ich einen Anruf der Südtirol Marketing Gesellschaft. Für diese Agentur hatte ich in den letzten vier Monaten immer wieder Filmbeiträge über interessante Menschen und Orte in Südtirol gedreht. Immer zu deren Zufriedenheit.

Die Stimme von Frau Crepaz klang eigenartig angespannt. Frau Crepaz ist eine ausgezeichnete Journalistin und kooperative Auftraggeberin. Sie leitet den Bereich Content bei der SMG. „Stimmt etwas nicht?“, wollte ich wissen. „Ja!“, und sie werde mich nun an ihren Chef weitergeben, Herrn Pappalardo. Mit Höflichkeitsfloskeln hielt sich dieser Herr, den ich persönlich noch nicht kennen gelernt hatte, nicht lange auf. „Er verlange, dass das Bild in meinem Facebook Newsfeed sofort gelöscht werde. Sonst werde es keine Aufträge an mich mehr geben und alle offenen Aufträge würden storniert.“ Ich schwieg. In meinem Kopf rechnete ich die Aufträge des letzten halben Jahres zusammen und dachte mir, wir reden hier immerhin von rund 20.000,- Euro Budget. „Warum sagen Sie nichts?“, wollte Pappalardo wissen. „Ich höre zu.“ erwiderte ich.

Als er nun aber seinerseits beharrlich schwieg, meinte ich, dass mir eine BITTE von seiner Seite lieber gewesen wäre als FORDERUNG und DROHUNG, dass ich nun aber den Beitrag vorläufig ausblenden würde. Alles weitere müsse in einem persönlichen Gespräch geklärt werden. Ich würde dazu Input per Email liefern. Pappalardo warb zum Abschluss des Gespräches, mit einigen kurzen Sätzen, für Verständnis: Er habe mich bisher immer geschützt, wenn Politiker bei ihm interveniert hätten, nicht mehr mit mir zusammenzuarbeiten. Er habe gesagt, dass ich eine gute Arbeit für sie leiste usw. usf. „Ah!“, dachte ich, „Interessant! Man wollte mich also längst durch wirtschaftlichen Druck mundtot machen.“ Wir legten auf. „Bisher hatte ich also gute Arbeit geleistet“, ging es mir durch den Kopf. „Was hatte sich daran über Nacht geändert?“

Ich schrieb nun ein langes E-Mail darüber, was ich im Falle der Pestizid-Kontamination in Südtirol als Pflicht aller(!) Bürger Südtirols ansehe und welche Ziele ich mit meiner Dokumentation „Das Wunder von Mals“ verfolge. Bei einem persönlichen Gespräch sollte geklärt werden, so mein Vorschlag, ob die Zusammenarbeit noch Sinn habe. Man möge mir bei dieser Gelegenheit doch bitte mitteilen (am besten schriftlicht), zu welchen Themen sich Auftragnehmer der SMG nicht äußern dürfen.

Alles weitere kam, wie es kommen musste. Mein Email an die SMG, war den Damen und Herren Landesangestellten bis heute keine Antwort wert. Daher kann ich meine kleine Provokation meinen treuen Facebook Fans nicht länger vorenthalten.

In Wahrheit denke ich darüber nach diese Grafik zum Cover einer Informationsschrift über den Monokultur-Wahnsinn in Südtirol zu machen.

PS: Das hatte ich ganz vergessen zu erwähnen. Pappalardo hatte mir auch mit einer Klage gedroht. Seit also vorsichtig beim „Teilen“, sonst ruft er euch vielleicht auch noch an 😉

PSS: Wer dennoch „teilt“, darf stolz auf sich sein. So wie die Schuljungen am Ende des Film „Der Club der toten Dichter“, die mit den Worten „Oh, Captain mein Captain“ auf die Schulbänke stiegen.

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